Die Arbeiterwohlfahrt wird 100

„Hilfe zur Selbsthilfe“ seit 1919

Als Marie Juchacz vor 100 Jahren die Arbeiterwohlfahrt gründete, ging es ihr im Wesentlichen darum, Hilfe zu organisieren, die auf Selbsthilfe und Solidarität fußt. Der Erste Weltkrieg hatte gezeigt, wie dramatisch die Massenverelendung ihren Lauf nahm und kein Staat in der Lage war, Abhilfe zu schaffen. Die SPD-Politikerin und Frauenrechtlerin setzte sich mit ihren überwiegend weiblichen Mitstreitern für die Gründung einer „Arbeiter-Hilfsorganisation“ ein. Daraus ist eine Bewegung geworden, die in vielen Städten und Gemeinden eine nicht mehr wegzudenkende Bedeutung entfaltet hat. In 30 Bezirks- und Landesverbänden organisiert sich die AWO heute. Über 335.000 Mitglieder, 66.000 Ehrenamtliche und 225.000 hauptamtliche Mitarbeitende fühlen sich den AWO Grundwerten Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit verpflichtet.

Die AWO Hessen-Süd hat einen besonderen Ort gewählt, um das stolze Jubiläum gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus Nordhessen zu begehen: die Paulskirche.

Über 400 Gäste durften sich die beiden AWO Bezirksverbände am vergangenen Samstag (16.) freuen. Darunter auch Persönlichkeiten wie Oberbürgermeister Peter Feldmann, die Staatssekretärin im Hessischen Sozialministerium Anne Janz, der Präsident des Regierungspräsidiums Kassel, Hermann-Josef Klüber, die Präsidentin des Regierungspräsidiums Darmstadt, Brigitte Lindscheid, Abgeordnete des Bundestag und Landtags, darunter die stellvertretende Landtagspräsidentin Heike Hofmann und die SPD-Vorsitzende Nancy Faeser. Darüber hinaus freuten sich die Organisatoren über die Vertreter anderer Wohlfahrtsverbände, sowie viele ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeitende und Mitglieder der Arbeiterwohlfahrt.

„Die AWO wurde aus dem Gedanken der Selbsthilfe heraus gegründet und setzt sich bis heute für Menschen ein, die Hilfe brauchen. Dabei stellt sie als starker Sozialverband Kinder, Familien und Senioren in den Mittelpunkt. Die AWO ist 100 Jahre alt, aber immer auf der Höhe der Zeit, wenn es darum geht gesellschaftliche Verhältnisse zu kritisieren, wenn soziale Schieflagen da sind. Die AWO wird sowohl als Träger von Einrichtungen als auch als soziale Stimme in der Gesellschaft gebraucht“, sagte Oberbürgermeister Peter Feldmann in seiner Eröffnungsrede in der Paulskirche.

„100 Jahre später sind die Anliegen, mit denen Marie Juchacz 1919 die Arbeiterwohlfahrt gegründete und ihr Selbstverständnis und ihren Anspruch geprägt hat, weiter aktuell: Frauenrechte, Vielfalt, Teilhabe, Menschenwürde, Gerechtigkeit und Solidarität, sind Themen, für die sich die AWO seit ihrer Gründung im Ehrenamt und im Hauptamt engagiert.“, betonte der Vorsitzende des AWO Bezirksverbands Hessen-Süd, Willy Jost. Doch auch gesellschaftspolitisch will sich die AWO weiter einmischen: „Die zunehmende Ungleichheit untergräbt den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und entlädt sich in einem Zulauf zu politischen Extremen.“, so Willy Jost weiter. Angesichts dieser Entwicklung muss es die Aufgabe der Politik sein, das verloren gegangene Vertrauen der Menschen in den demokratischen und sozialen Rechtsstaat wieder zurückzugewinnen.

Die Rede der Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, Anne Janz, unterstrich das gesellschaftliche Wirken auch aus Sicht der Hessischen Landesregierung, für die sie stellvertretend sprach. „In der Sozialpolitik in Hessen ist die AWO eine wichtige Partnerin der Hessischen Landesregierung“, so Janz.

Janz würdigte die Rolle der AWO-Gründerin Marie Juchacz und sprach von einer herausragenden Frau, deren Mission heute noch genauso viel Bedeutung habe, wie damals. Gerade in der Frage der gleichen Bezahlung von Frauen und Männern bestehe heute immer noch viel Handlungsbedarf.

Die gesellschaftspolitische Bedeutung der Arbeiterwohlfahrt unterstrich auch die Vize-Präsidentin des Hessischen Landtags, Heike Hofmann MdL.

Auf die Geburtshelferin der AWO, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), ging deren Landesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende, Nancy Faeser MdL, in ihrem Grußwort ein.

„Der deutsche Sozialstaat sei ohne die vielen Angebote der Arbeiterwohlfahrt nicht vorstellbar“, fasste sie zusammen.

In einem kurzweiligen Vortrag beleuchtete Prof. Dr. Jürgen Mittag die nun 100-jährige Geschichte der Arbeiterwohlfahrt und zeigte so Einblicke in die gesellschaftliche Lebensleistungen ganzer Generationen mit Herz. Die AWO sei immer wieder als Pionier in der Sozialen Arbeit vorangegangen.

Die AWO blickt an diesem Tag auf ihre bewegte Geschichte zurück. Gegründet in der allgemeinen Notlage nach dem Ersten Weltkrieg, verboten durch die Nationalsozialisten. Die AWO hat sich selbst nach dem Krieg wiederbelebt und sich am Wiederaufbau des Landes beteiligt. Heute ist die AWO einer der wichtigsten sozialpolitischen Akteure in Deutschland.

Der Geschäftsführer des AWO Bezirksverbandes Hessen-Süd, Ansgar Dittmar, sagte am Ende: „Die Grundwerte der AWO werden auch in 100 Jahren noch so wichtig sein, wie damals und heute. Gerade in einer zunehmend entsolidarisierten Gesellschaft ist der Grundwert der Solidarität wichtig.“. 

Der Festakt hat es geschafft, die bewegte Geschichte lebendig zu erzählen. Er hat aber auch gezeigt, dass die AWO ein Verband von Menschen für Menschen ist, geprägt von den Grundwerten Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit.