Mehr Zeit und mehr Personal für die Pflege

Diskussionsveranstaltung „Pflegealltag trifft Politik“ dreht sich um bessere Pflege

Die Pflege steht immer wieder im Mittelpunkt vieler politischer Debatten und zahlreicher Appelle. Doch ein Dialog zwischen der Politik und den Praktikern ist selten und wenn dann immer für beide Seiten erkenntnisreich. Warum nicht genau da ansetzen, dachte sich die AWO Hessen-Süd und lud kurzerhand zum Gespräch mit Landrat Christian Engelhardt (CDU) und der Pflegebeauftragten der SPD-Fraktion im Bundestag, Heike Baehrens MdB.

AWO-Geschäftsführer Ansgar Dittmar freute sich über das Zustandekommen der Runde, vor rund 40 Pflegekräften und Interessierten. Ziel der AWO sei es, einen „Dialog auf Augenhöhe“ zu schaffen, so Dittmar. Die AWO werde sich immer wieder politisch einmischen, wie etwa zuletzt beim Thema „Eigenanteil bei der stationären Pflege begrenzen“ oder bei der Forderung nach einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die Pflege. Die AWO sei hier zwar mit der Anwendung des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst (TVöD) weit voran, jedoch sei die Minderheit der Pflegeträger so fortschrittlich.

Landrat Engelhardt hob in seinem Statement die gesellschaftliche Bedeutung der Pflege hervor und mahnte, „Pflege betrifft alle“. Die Gesellschaft werde immer älter. Das bedeute auch, dass mehr Pflegepersonal benötigt werde. „Wir werden in Zukunft 88% mehr Pflegekräfte benötigen“, schätzt Engelhardt. Daher seien Weiterqualifizierungsmöglichkeiten besonders wichtig.

Die Pflegebeauftragte der der SPD-Bundestagsfraktion, Heike Baehrens MdB, brachte den Zuhörern die jüngsten Pflegereformen näher. In ihrem Vortrag zeigte sie auf, wie etwa die Pflegestärkungsgesetze, die neue Ausbildung in der Pflege oder das Familienpflegezeitgesetz für Bewegung im Pflegebereich gesorgt haben und damit einige Verbesserungen und die Zugänge für pflegebedürftige Menschen zu Leistungen erleichtert wurden. Baehrens machte sich in ihrem Statement auch noch mal stark für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Pflege. „Das Lohngefälle in der Pflege kann 800 Euro im Monat ausmachen, trotz gleicher Qualifikation“, betonte Baehrens. Ein Gesetzesentwurf, der diese Gerechtigkeitslücke schließen soll, liege bereits vor. Derzeit lehnen die privaten Träger dieses Vorhaben jedoch massiv ab.

Die Betriebsleiterin des AWO Sozialzentrums in Bensheim, Tanja Eichelbaum, berichtete von einer hohen Motivation der Beschäftigten in ihrem Haus. „Dennoch gehen einige mit dem Gefühl nach Hause, nicht so arbeiten zu können, wie man es gerne möchte“, erklärte Eichelbaum. Die Ursache ist der Fachkräftemangel in der Pflege und die dadurch unbesetzten Stellen. Man versuche mit vielen kreativen Ideen, Menschen für einen Arbeitsplatz in der Pflege zu motivieren. „Bei uns sind Quereinsteiger ebenso willkommen, wie alte Hasen“, so Eichelbaum.

Die Altenpflegeschule Bergstraße vertraten Geschäftsführerin Stephanie Gast und Schulleiterin Jeanette Bischer. Sie hatten eine Umfrage bei ihren Pflege-Azubis durchgeführt und danach gefragt, was ihnen den Auszubildenden wichtig wäre. Die Ergebnisse zeigen, dass es nicht so sehr ums Gehalt geht, sondern vielmehr um familienfreundliche Arbeitszeiten und einen verlässlichen Dienstplan. Am wichtigsten ist den Auszubildenden aber, dass mehr gutausgebildete Kolleginnen und Kollegen in den Wohnbereichen ihren Dienst leisten.

Der abschließenden Publikumsrunde konnte man ähnliche Verbesserungswünsche entnehmen. Das Fachkräfteproblem könnte man dadurch lösen, dass junge Menschen früher an die Pflegeberufe herangeführt werden, wie etwa zu Zeiten des Zivildienstes. „Das Image der Pflege wird leider immer wieder in der Öffentlichkeit schlechtgeredet. Aber, die Menschen, die mal hier reinschnuppern, bleiben meist und machen ihre berufliche Karriere in der Pflege“, befand ein Redner. Auf ein verpflichtendes Soziales Jahr wollte man sich aber nicht einigen. Die Freiwilligkeit soll erhalten bleiben. Dennoch brauche man mehr Menschen in den Pflegeberufen. „Sonst können wir bald unserem Versorgungsauftrag nicht mehr nachkommen“, warnte eine andere Rednerin.

Wenn nun mehr Menschen einen Pflegeberuf ergreifen und dann noch mehr Zeit für die Betreuung der pflegebedürftigen Menschen bleibt, wäre viel geholfen, fasste Moderator Alexander Ludwig die Diskussion zusammen.